Schöner wär’s, wenn’s schöner wär

Schöner wär’s, wenn’s schöner wär

Es ist das vierte Festival, was in einer Woche beginnt. Gestern Abend kam eine Terminabsage und nun habe ich Zeit. Zeit, die ich zu füllen versuche. Ich muss mich beschäftigen. Irgendwie scheint das sinnvoller, als einfach nur Zeit und Raum zu haben und nichts zu tun. Wenn meine Kinder mir sagen: „Papa, mir ist langweilig“, antworte ich meist: „Ohh, was für ein schönes Gefühl. Das kenne ich gar nicht mehr.“.

Dabei weiß ich gar nicht, ob das stimmt, was ich sage. Ich kann anscheinend die lange Weile auch schwer aushalten. Es gibt noch viel mehr, was ich schwer aushalte. Zum Beispiel finde ich Enttäuschungen ziemlich doof. Ich habe diverse Strategien, um sie zu vermeiden. Inzwischen stelle ich fest, dass diese Strategien mir nicht gut tun. Vermutlich haben sie mir früher geholfen, aber jetzt scheinen sie mir einiges an meiner Lebensfreude zu nehmen.

Das komische ist, das meine Strategien mir nicht bewusst sind, d.h. ich plane sie nicht wie bei einem Projekt. Vielmehr merke ich erst später, dass ich irgendwo bin, wo ich gar nicht sein wollte. Damit meine ich weniger einen bestimmten Ort, sondern eher einen gefühlten Zustand. Ich fühle mich dann irgendwie weniger, oder fremd oder unzufrieden oder … und dann wird es schwieriger mich überhaupt zu fühlen und mich zu begreifen.

Angehäufte Enttäuschungen sind ein ziemlich vertracktes Knäuel. Das passiert scheinbar mehr den Erwachsenen. Kinder lachen mehr… und weinen mehr. Gestern saß ich in einem Kaffee und war im Austausch mit einem Baby, was auf dem Schoß eines Papas saß, den ich nicht kannte. Schauen, verstecken, große Augen machen, lachen – wir spielten miteinander und auch die Eltern hatten Freude. Nach ein paar Minuten fing es an zu quengeln und Schwups war die Trinkflasche parat und steckte im Mund. Wir lernen früh keinen Umgang bzw. Ersatzhandlungen für bestimmte Gefühle.

Vor zehn Jahren brachen innerhalb kurzer Zeit verschiedene Vorstellungen über mein Leben zusammen und ich heulte gefühlt zwei Tagen durch. Danach entstand wieder Raum für Neues. Ich spürte wieder Kraft und Vertrauen in mich und in das Leben. Diese zwei Tage waren echt nicht schön, aber sehr hilfreich für das danach. Bei kleinen Enttäuschungen kann ich irgendwie nicht weinen. Ich werde eher grummelig, versuche es nicht an mich ran zu lassen oder verliere die Lust weiter zu machen. In der Summe schwindet irgendwie meine Lebensfreude. Was nun?

Um das Bild mit dem Kind aufzugreifen: Ich nehme den Trinkflaschen-Stöpsel aus dem Mund und beginne, dass was ich nicht gelernt habe, mir zu erlauben. Ich fange da an, wo ich mich nicht fühle und halte es aus. Das ist vergleichbar mit Langeweilen, vielleicht ein bisschen unangenehmer. Dabei bemerke ich, dass meine Enttäuschungen sehr bestrebt sind, sich selbst zu bestätigen. Als möchten sie am Leben bleiben, wie auch meine enttäuschten Vorstellungen.

Irgendwie mag ich das Bild, ein Zuhause zu sein für etwas, was lebendig sein möchte. Wie wäre ein schönes Zuhause für meine Enttäuschungen und Vorstellungen? Das was mir sonst hilft mich gut zu fühlen, hat viel mit Akzeptanz, Begegnung auf Augenhöhe und Offenheit zu tun. Das ist das, was ich auch dem Festival leben möchte. Ich bin gespannt, wie meine Enttäuschungen und Vorstellungen das finden…

Juli 2023 – Frank Breyer